24. SONNTAG im Jahreskreis
Lesungen:
Jesus Sirach (27,30-28,7)
Matthäus (18,21-35)
Wie sollen wir uns als Christen verhalten? Am vergangenen Sonntag haben wir gehört, wie wir mit Mitchristen umgehen sollen, die sich in irgendeiner Form schuldig gemacht haben. Das Vier-Augen-Gespräch ist der erste Schritt. Das verlangt oft viel Mut. Heute wirft das Evangelium die Frage auf: Und wie ist es dann, wenn einer/eine aus der Gemeinde uns persönlich Unrecht angetan hat? Wenn er/sie mich persönlich beleidigt, verletzt hat? Wie sollen wir uns dann verhalten?
Wie oft soll ich als Christ einem „Bruder“, also einem Mitchristen verzeihen, wenn er sich mir gegenüber schuldig gemacht hat? Jesus sagt: Siebzig mal siebenmal, d.h. 490 mal, also endlos? Soll ich mich zum Narren machen lassen?
Es geht Jesus nicht um ein passives Hinnehmen und Einstecken von Unrecht. Es geht hier um eine Grundhaltung, um unsere tiefere Einstellung einander gegenüber. Grundsätzlich gilt auch hier wieder die „goldene Regel“: Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen! Behandelt die Menschen so, wie ihr selbst von ihnen behandelt werden wollt.
Jesus gibt da ein Negativ-Beispiel, wie wir es also nicht machen sollen. Der Knecht, der Rechenschaft geben muss, schuldet seinem Herrn die unvorstellbar große Summe von 10.000 Talenten. Wie viel das ist, lässt sich erahnen, wenn man damit das damalige geschätzte Jahreseinkommen von König Herodes dem Großen vergleicht, das etwa 900 Talente betrug. Und hier geht es um 10.000 Talente, d.h. um die Steuern von über 10 Jahren. Diese Riesenschuld wurde dem Knecht erlassen - „weil du mich gebeten hast“ - heißt es im Evangelium. - Es ist unwahrscheinlich, dass irgendwer so etwas macht. Nur Gott tut das, egal wie groß unsere Schuld ist. - Was der andere Knecht dem ersten schuldig ist, ist dagegen eine Lappalie: 100 Denare. Der Tageslohn für einen Arbeiter betrug einen Denar. Im Ganzen macht das also 100 Arbeitstage. Dieser Schuld-Vergleich illustriert, wie unbarmherzig und hartherzig der erste Knecht ist.
Schon im Alten Testament heißt es (wir haben es in der ersten Lesung gehört): „Wenn du kein Erbarmen hast mit einem anderen Menschen, einem Sünder, wie du selbst es bist, wie kannst du dann Gott um Vergebung deiner Schuld beten? Wenn jemand dir Unrecht getan hat, vergib ihm!“ Jedes Mal bitten wir im Vater Unser: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern!“ Seid also barmherzig, wie euer Vater im Himmel barmherzig ist! So ist das richtige Verhalten eines Christen, wenn sein „Bruder oder Schwester“ ihm Unrecht angetan hat.
Aber wir haben damit die größten Schwierigkeiten. Eine große Rolle spielen hier unsere Erfahrungen: Unser Vertrauen kann vielleicht missbraucht worden sein. Oder wir sagen: Verzeihen kann ich schon, aber vergessen kann ich es nicht. Da sollen wir bedenken: Verzeihen, vergeben, heißt nicht vergessen. Es ist gut, nicht zu vergessen, damit wir aus den negativen Erfahrungen lernen, unter anderem auch, wie großartig es ist, verzeihen zu können. Das ist ein Zeichen von Charakterstärke und davon, dass man ein großes Herz hat.
Verzeihen ist ja mehr als sagen: „Ich verzeihe dir.“ Das ist nur der erste Schritt. Mein Verzeihen wird erst konkret, ich stelle es erst unter Beweis, wenn ich nicht nachtragend bin, wenn ich darauf verzichte, dem anderen immer wieder meine Wunde zu zeigen, dem anderen seinen Fehler, sein Vergehen oder sein Versagen immer wieder vorzuwerfen. Ich verzeihe, indem ich zu diesem mir gegenüber schuldig gewordenen Menschen wieder ein ganz normales Verhältnis aufbaue, in Freundschaft und Wohlwollen. Wenn zwischen uns Frieden herrscht. Wer nicht vergeben kann, läuft Gefahr zu verbittern, und diese Verbitterung hat Auswirkung auf das ganze Leben.
Verzeihen, vergeben, ist ein Versöhnungsprozess, bei dem alle Betroffenen mitmachen müssen, denn sonst funktioniert das nicht. Meine Bereitschaft zu verzeihen ist z.B. wirkungslos, wenn der andere seine Schuld nicht eingesteht und deswegen auch keine „Reue“ zeigt. Und: Wir dürfen nicht vergessen, dass wir alle miteinander schwache Menschen sind, d.h. „Wiederholungstäter“!
Was Jesus da von uns erwartet, hat er selbst vorgelebt, als er - in tiefsten Schmerzen - für seine Peiniger betet: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“